Osternest

Osternest

Eigentlich sollte ich ja in Italien sein. Aber da es dort seit einer Woche Bindfäden regnet, habe ich mich entschieden, zu Hause den Regen zu geniessen. Vor ein paar Tagen musste ich es ganz schön büssen, hei war das kalt, und gerade, als ich mit dem Velo losfuhr, fing es an zu schiffen, selbst ein Stopp im Laden half nichts.

Papagei

Papagei

Nun sitze ich auf meinem Dach mit dem Papagei im Caipi-Glas. Er muss immer wieder tanzen, damit der schon zweite Drink gut vermischt ist. Es ist gerade ein bisschen frisch, da die bald untergehende Sonne hinter dem Lichtschacht des gegenüberliegenden Gebäudes steckt.

Herz

Herz

Nun sitze ich auf einem schicken Holzstuhl in der Confiserie Bachmann, habe noch kurz gedacht, ob ich mir nicht einen eleganten Sessel im Trois Rois gegenüber gönnen soll, aber das beste Schoggiweggli und die beste Faschtewaie der Welt gibt’s nur hier und hat mich sofort die Polsterung vergessen lassen. Zudem sitzt es sich hier gesünder als so eingefallen im Sessel.

Weiss

Nun sitze ich wieder einmal auf meinem Sofa, blicke auf die alte Bernina Nähmaschine auf meinem Esstisch und bin ganz stolz, dass sie da steht, und dass das schon seit über einem Jahr zu flicken Angestandene endlich geflickt ist. Die Nähte meines eigentlich relativ neu erstandenen, sündhaft teuren Support-the-local-dealer-bayrischen-Loden-Reiteroutfit. Auch meine heiligen Hanro-Unterleibchen, ausgerissen unter den Armen, so alt sind sie, sind wieder einsatzbereit. Ein T-Shirt, nur von H&M, aber welches ich wegzuwerfen nicht traute, doch auch nicht mehr anziehen konnte, weil es ein Loch an markanter Stelle hatte, wurde von Hand geflickt. Und ein Wollkleid, ja das hatte einige Mottenpartys aushalten müssen, ist auch wieder tragbar. Ich muss zugeben, die Löcher sind rudimentär geflickt. Aber Löcherflicke sind ja jetzt salonfähig. Shabby chic. Und erst noch upcycled. Voll im Trend.

Zudem ich mit 7kg weniger wieder in meine ältere Garderobe passe. Was so viel heisst, dass, wenn sie die Motten nicht komplett unanziehbar verlöchert haben, ich gar nix Neues mehr kaufen muss.

Da kommt natürlich die Frage, ob ich überhaupt was Neues kaufen müsste. Haben ich doch, verlöchert oder nicht, von allem mehr als genug. Und sonst kann man‘s flicken. Wiederverwenden. Reparieren. Ummodeln.

In meinem Haushalt befinden sich Dinge, mit denen kann ich noch zwei Leben lang leben. Oder eine zehnköpfige Familie gründen. Für welche es natürlich zu spät ist. Oder einige Häuser damit füllen. Für welches mir das Kleingeld fehlt. Dafür merke ich, dass so langsam aber sicher einiges in meiner Wohnung zu renovieren oder zu flicken anstehen würde. So schnell gehen acht Jahre vorbei, seit ich da eingezogen bin. Und so schnell funktionieren neue Geräte nicht mehr. Oder werden Wände schmutzig. Aber auch da ist die Frage: Warum müssen eigentlich Wände schön weiss sein? Und alles picobello?

Ich bin gerade am googeln und lerne, dass weisse Wände „nachweislich schädliche Auswirkungen wie z. B. Angstzustände, Konzentrationsmangel, störendes Verhalten und depressive Stimmung bei SchülerInnen und LehrerInnen“ haben würden. Aha. Und es steht noch schlimmer: Es sei sogar „lebensfeindlich“, natürlich auch ausserhalb des pädagogischen Alltags, meint ein Professor Doktor Farbforscher aus Berlin. Aber wenn ich dann da so sein Interview lese zu seiner Farbenforschung, dann ist seine Aussage zu rot wie „aus der Vergangenheit, wo Frauen noch Früchte gesammelt haben“ oder „das die Hautfarbe der Mütter ist, wenn wir (als Kinder) in ihre Gesichter schauten“ so was von ungeforscht und an Rapunzelhaaren herbeigezogen ist, dass ich mich gerade, oder immer noch, in meinen weissen Wänden wohl fühle. Und auf meinem weissen Sofa erst recht. Ich aber wieder zurückkommen muss auf meine nicht mehr so weissen Wände und mein langsam auch nicht mehr so weisses Sofa. Jetzt ich mich also entscheiden kann zwischen: Die Wände der Farbforschung zum Trotz neu weissglen und das Sofa reinigen lassen soll, oder dem „alles muss sauber und neu sein“- Wahn zum Trotz seiner Patina und natürlicher Vergilbung freien Lauf lasse und somit der Farbforschung eigentlich wieder recht gebe, denn es gleicht sich mit der Zeit dem Erdton an.

Shabby chic zum Zweiten. Voll im Trend. Inklusive im Budget. CO2 neutral.

So lässt es sich doppelt gut fühlen in meinen weissen Wänden. Herrlich!

Spinnennetz

Es ist ja nicht so, dass es da in meinem Leben gar nichts zu erzählen oder zu reflektieren gäbe. Auch gibt es mein Sofa immer noch.

Auch Serafino, jetzt mit seinem flauschigen Winterpelz, einbalsamiert in eingetrocknetem Matsch, sich wohl vor Knuddelattacken schützend, ist immer noch munter.

Nigginäggi

Nigginäggi

Nun liege ich wieder mal auf meinem Sofa, schon im Pyjama, und bin auch langsam wieder entspannt. Draussen sind wohl noch einige Samichläuse auf dem Nachhauseweg. Wobei sich hier in Frankreich je länger je mehr der « Père Noël » durchsetzt, welcher erst am Weihnachtsabend kommt.

Prinzessin

Wann haben sie zuletzt die Haare einer Puppe gekämmt? Ich sass heute Sonntag Morgen früh, nach zwölf Stunden Erschöpfungsschlaf, auf meinem Sofa und kämmte die Haare der Kasperlifiguren-Prinzessin. Denn, obwohl wir gestern ihre Haare kurz vor ihrem Einsatz zurecht gestrichen hatten, sah sie bei ihrem Auftritt aus, als ginge sie an ein Punkkonzert. Hier sei erwähnt, dass sie zudem noch Brünette ist, was den Teenager-Girls gar nicht passte. Sie wollen eine blonde Prinzessin mit langen Haaren. Und einem schönen Kleid. Diese Prinzessin sei dunkelhaarig, zerzaust und hätte noch einen Zahnpastafleck auf ihrem fürchterlich langweiligen gelben Kleid. Mein Einwand mit dem klischeehaften Argument galt nicht. Oder zumindest vorerst nicht. Am nächsten Tag, brachte ich die blonde Prinzessin mit, leider auch mit zerzaustem Haar und erst noch einem Pagenschnitt. Das ging schon gar nicht: „Wiene Bueb“. Zweites Klischee. Dann fanden sie, dass die Prinzessin doch dunkel sein darf, aber lange Haare müsse sie haben. Zudem hatte die blonde keine echten Haare wie die Brünette, sondern Fädeli-Haare und ein zwar fleckenloses blaues Kleid, welches aber bei dem blau angemalten Theater eher zur Camouflage verhalf. Also doch brünetter Punk mit Zahnpasta Fleck.

Die Auserwählte musste sich natürlich bei jedem Auftritt entschuldigen, dass sie keine Zeit hatte zum Haare Kämmen. Jetzt, mit den gekämmten Haaren, muss sie sich in Zukunft nur noch für den Zahnpasta-Fleck entschuldigen. Der ging nämlich heute nicht weg.

Auch die Fädeli-Haar-Prinzessin wurde gekämmt. Interessanterweise ist der Pagenschnitt original, sie ist die echte Prinzessin, es sind Lotte Sievers Hahn Puppen, und Website erklärt mir weiter: Die Brünette ist die Königstochter. Heieiei. Zum Glück habe ich sie heute ein bisschen zurecht gemacht. Die arme! Und gelernt habe ich auch was. Sind also die Prinzessinnen blond und die Königinnen-Töchter brünett. Was ja auch eine Prinzessin ist, aber eine direkte Tochter des Königs.

Der Grund, warum unsere Prinzessin überhaupt so wichtig war, war nämlich der Gedanke, dass in den Märchen die weiblichen Protagonistinnen mit Ausnahme der Fee entweder doof, eingesperrt, eingeschlafen oder böse sind, und nur die männlichen Protagonisten Helden sein können. Da ich aber unter Zeitdruck stand und nur sympathische weibliche Puppen mit montierter Krone besass, oder das Rotkäppchen, musste die Prinzessin Carla her, so heisst unsere Heldin. Sie durfte das ganze Theater ansagen und ihre Blockflöte dem albernen Kasperli ausleihen, welcher so dumm tat, dass ihm das Instrument zuerst verzaubert und dann auch noch gestohlen wurde. Zum Glück gab es liebe Tiere und das grandiose Publikum, bestehend aus Kindergärtnern und PrimarschülerInnen, welche dem Kasperli halfen, alle Aufgaben zu lösen, damit er die ausgeliehene Flöte wieder spielbar zurückbekam. Den Kasperli fanden die Kinder besonders doof, vor allem, als er der Königstochter Carla erzählte, er habe ganz brav damit gespielt. Lügen geht gar nicht. Aber wie Mädchen so sind, gutmütig und hilfsbereit, um jetzt da mal ein positives Klischee aufrecht zu erhalten, hat Carla ihm sogar noch Unterricht bei ihrem Vater, dem König angeboten. Ich frage mich gerade, wie dies das Publikum fand. Immerhin war alles wieder gut und alle waren zufrieden im Märchen. Das könnte dann die Kinder auch beruhigt haben.

Nun sollte aber mein nächstes Märchen noch ein bisschen mehr Klischee frei werden. Der Teufel soll böse bleiben, die Hexe auch, aber die Carla mit Zahnpastafleck hat immerhin die Zähne geputzt, was der Hexe in ihrer Jugend fehlte, darum hat sie ja auch so fürchterliche Zähne. Aber Heldinnen wie Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter sollten auch im Kasperlitheater mehr Vorbild sein.

Kommt Zeit kommt Carla!

Sinne

Nun bin ich ja froh um mein Handy, da kann ich gemütlich kurz ein Päuseli machen auf dem Sofa, und meine Gedanken reindöggelen. Ich bin nämlich am Aufräumen u Putzen, währenddessen ich am Sprachnachrichten anhören und kommentieren, philosophieren, und was man da ja alles so tolles damit machen kann, bin. Dann poppt ein Herz auf im WhatsApp, auf einen versendeten Link von gestern; welcher war das nochmals? Ach ja, das Interview mit Françoise Sagan. Jetzt sollte ich aber noch in die Dusche springen, aber zuerst muss ich noch mein Aufgeräumtes verräumen, damit der Weg frei ist zum Staubsaugen, sollte Antwort geben auf die letzte Nachricht, mit der Putzfee etwas besprechen. Und dann muss ich noch schnell, währenddem ich hätte, ….

Fast wäre ich abgeschweift. Aber nur fast. Jetzt komm ich zum Thema: Der Reizüberflutung. Oder besser der Sinnesüberflutung.

Ist man doch heute immer und überall am Kommunizieren und sich Informieren. Man macht was, dazu hört man oder schwatzt man. Wohin man geht gibt’s was zu hören und zu sehen, Musik oder Stimmen. Im öffentlichen Verkehrsmittel einen Film oder Facebook & Co. Zu Hause sitzt man vor der Flimmerkiste, die Bildschirme sind meist so gross wie ein Kinoleinwand von anno dazumal, oder man liegt mit dem Smartphone irgendwo. Podcasts, Interviews, Hörbücher… Ansonsten gibt‘s online Seminare, online Kurse und online Weiterbildungen.

Es gibt immer und überall was zu lesen. Werbung, Warnung, Paragraphen, Kleingedrucktes, Beipackzettel, Emails, Nachrichten. Selbst Bücher und Musikalien sind immer und überall zu downloaden. In allen Sprachen und Schriften. Handschriften, original Drucke, beste Qualität. Niemand führt heute noch eine Diskussion, ohne sich nicht zu vergewissern, ob er jetzt richtig liegt, oder was in der Zwischenzeit passiert ist. Alles ist spannend. Wir wollen wissen, hören, sehen…. Alles…. Immer…. Mehr mehr mehr…

Es gibt weder Dunkelheit noch Ruhe für das Auge. Überall Lampen, Leuchten, Laternen, Werbeschriften, Notausgangslampen in Räumen…

Selbst nachts ist es nirgendwo mehr ruhig. Nicht nur in den Städten, auch auf dem Land summen heutzutage die Wärmepumpen, Kimaanlagen und/oder die Swimmingpool-Filter im Garten, die Landwirte arbeiten mit ihren Maschinen mit Beleuchtung auf den Feldern. Die Fischerei mit Leuchten auf den Gewässern.

Und wo und wann ruhen unsere Sinne?

Sind wir von Sinnen?

In der Zwischenzeit ist es Abend geworden. Der Vollmond leuchtet. Vielleicht ein Volmondritt?

Ich brauche gerade mal ein bisschen Pause, um zu überlegen und mich zu erholen. Mein Magen knurrt. Der Blumenkohl wartet. Also kein Ritt, und auch kein neues Rezept, sondern das meiner Kindheit: Blumenkohl mit Béchamel und Reis.

Für die Sinne. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Féminité

Die Winterzeit ist ganz und gar nicht mein Ding. Nur einen Vorteil hat sie, ich kann mit gutem Gewissen eine Stunde länger im Bett liegen. Heute las ich mich also eine Stunde mehr durch die Zeilen des Buches von Heide Göttner-Abendroth. Und übte mich weiter an der « sérénité ».

Denn da als Frau ‚serene‘ zu bleiben, verlangt so einiges ab. Generell verlangt das Leben als Frau in unserer Gesellschaft einiges ab. Denn dass wir vor ca 8000 Jahren langsam und stetig weltweit unter die Fuchtel, in Besitz und Ausbeutung des Mannes gerieten, nämlich indem er sich immer mehr der friedlich gedachten Technik kriegerisch bediente, mit Ross, Wagen und Waffen alle Macht an sich riss, zu kriegen begann, und wir bis heute unter seiner ausgedachten, für ihn praktischen Herrschaft leben müssen, um ihm Vaterschaft zuzugestehen, das steckt man auch mit einer extra Stunde Winterzeit und « sérénité »-Übungen nicht so schnell weg.

Was bleibt uns aber ausser halbbrav mitzumachen, ein bisschen zu trotzen und mitanzusehen, wie selbst die jungen Frauen heute immer noch an diesen Schmarren wie „bis der Tod uns scheidet“ glauben, sich dem männerorientierten Vorbild unterwerfen, selbst oder gerade in der Schweiz, neben dem Kinder nach vorgegebenen, patriarchalen (!) Richtlinien zu erziehen, zwar ein bisschen in von Männern dominierten Firmen und Institutionen arbeiten, aber finanziell völlig abhängig vom Mann sind, und sonst vom Staat und dessen männlichen Führung?

Da brodelt in mir die « féminité ». Und fertig ist es mit meiner « sérénité ». Was für ein gut ausgedachtes Wort, um Ungutes zu vertuschen, zu verschweigen, um über das Elend hinwegzusehen, und Schiefes gerade zu meinen, Unmut im Keim zu ersticken, Ungerechtigkeit stehen zu lassen und weiter machen wie bisher, nämlich wie es dem Mann so passt. Krieg, Zerstörung, Ausbeutung, Macht, gekrönt mit ein bisschen Gleichgültigkeit und ein weeneli lustig sein.

Oder täusche ich mich vielleicht?!

Ja, ooohmmmmm Chanti ooohmmmmmm!

Sand

Sand

Nun liege ich auf meinem Tuch im Sand vom Strand von Frangokastello auf Kreta. Davor lag ich auf dem eleganten roten Stuhl unter dem eleganten roten Sonnenschirm. Aber irgendwann überfiel mich das Bedürfnis, den Sand zwischen meinen Zehen und unter meinem Tuch zu spüren.

Feierabend

Nun liege ich in meinen Reithosen und einem wollenen Rollkragenpullover auf dem Sofa. Die Heizung plätschert wieder kalt und draussen schifft‘s in Strömen. Mit der Aussicht, in 48 Stunden bei 20 Grad das Meeresrauschen vom Bett aus zu hören, finde ich den Regen draussen gerade so richtig gemütlich. Und die schon wieder nicht funktionierende Heizung kann mir auch den Buckel runter rutschen. Denn bald sehe ich die Sterne in Athen, indessen man hier keine sieht.

Dafür sah ich schwarz hinter dem Steuer, als ich so mal gemütlich aber schnell zu Serafino fahren wollte. Denn seit hier die « Mairie » sich für eine der nahen Schweiz abkopierten Verkehrsführung entschied, nämlich die „Innenstadt“ (man beachte: « la ville (!) de Saint-Louis ») mit Einbahnstraßen, 30er Zonen, Velowegen, Fahrverboten, Baustellen und ähnlichem zu versehen, aber den 30‘000 Grenzgängern keine taugliche öffentliche Verkehsmittel-Alternative bietet, ausser einer Tramlinie, welche einem viel zu teuer stundenlang durch den Kakau führt, einem Distribüs, der entweder all Schaltjahr fährt, oder jetzt regelmäßig mit den Autos im Stau steckt, oder einer Zugverbindung, welche, wenn nicht zu spät ist, dann halt ganz ausfällt, seitdem ist hier Stau. Nimmt man das Velo, wenn es dann fahren würde, muss man sich in acht nehmen, nicht von einem verzweifelten Autofahrer, weil man wegen einer Baustelle vom Veloweg abweichen musste, aufgegabelt zu werden. Zudem riskiert man, wenn man kein VTT (vélo tout terrain = Mountainbike) hat, vor lauter Bordsteinen und Löchern und Steinen und Scherben, das Velo alsbald beim Velomech deponieren zu müssen.

Da mein Velöli zwar dem Saint-Louis Terrain stand hielt, aber nicht Serafino’s Hufeisen, immer noch auf seine Reparatur wartet, dem Herren Schweisser, welcher den gebrochenen Rahmen zusammenschweissen sollte, vielleicht sein Schweissgerät auch nur lauwarm wie meine Heizung wurde, musste mein Auto wieder mal dran glauben, und so stand ich, kaum aus der Garage gefahren, auch schon im hausgemachten Saint-Louiser Feierabendstau. Fast wie in Paris. Aber auch nur fast.

Kaum war ich ein paar Meter weiter, kam auch schon die Ambulanz mit Blaulicht von hinten sich durch die Schlange schlängelnd Richtung Autobahn zielend, wo logischerweise auch Stau war. Kaum verließ ich die « Stadt », ging es dann auch schon einigermassen flüssig voran, aber nein: 1km Stau zwischen zwei Dörfern war angesagt. Grand Est…Grand dESasTre!

Inzwischen nahm der strömende Regen schon seinen Anlauf, und, im Stall angekommen, glich die Stimmung eher sieben Tage Regenwetter. Der Stallmeister war in Trauerweidenstimmung, den Tränen nahe, da morgen das zweiundreissigjährige Herdenmitglied und Herdenoberhaupt von seinen Altersqualen erlöst werden wird. Zwanzig Jahre hat der Stallbesitzer ihm täglich mindestens dreimal Heu gebracht, Zusatzfutter gegeben, die Decke an und abgezogen, Medikamente verabreicht, die Nase gekrault, jede Silvesternacht und den « quatorze Juillet » mit ihm und den anderen verbracht, damit die Raketlis ihnen nicht um die Nasen fliegen. Das bringt selbst einen gestandenen Mann aus dem emotionalen Lot.

Auch mit Serafino war keine Kirschen essen. Normalerweise sieht er immer schon durchs Fensterlein in den Stall rein, wenn er mich hört. Heute war keine Serafino-Nase am Fensterchen zu spähen, und ich musste raus um nach ihm zu sehen. Er stand an der frisch gefüllten Heuraufe, sah mich kurz begrüssend an und frass weiter. Das war’s. Keinen Schritt wollte er freiwillig mit zu und mit mir machen. Ich musste ihn regelrecht mit Strick und Halfter in den Stall reinziehen, wo ihn sein geliebtes Mineralfutter erwartete. Aber er ass nur unruhig, rannte immer wieder sich fürchtend nach draussen und wollte zurück zu den anderen. Ob er wohl den Pferde-Sensemann am Sense schleifen sah?

Mir blieb nichts anderes übrig, als wieder in mein Auto zu steigen und im strömenden Regen durch die Strassen zu fahren. Zum Glück Richtung Basel, in den richtigen Feierabendverkehr. Wo einem Velo‘s , Fussgänger, Trams und Busse um die Nase fahren und vor die Nase treten. Hausgemacht. Aber durchdacht.

Tea Time

Tea Time

Nun sitze ich im seidenen Pyjama in der Küche auf dem Spaghetti-Sessel in meine Missoni-Wolljacke eingewickelt. Neben mir blubbert die kalte Heizung. Der Winter kam zu früh, wir hätten eigentlich noch Sommer, der Heizungsmonteur ging leider auch zu früh. Er hat am Freitag wohl die Heizungsanlage in Betrieb gesetzt, aber das warme Wasser vergessen. Es blubbert somit das in den Bergen geschmolzene Gletscherwasser in meinen Heizkörpern.

Warten

Warten

Nun sitze ich am Strassenrand im Schatten, mein Auto leider schon in der Sonne, mit offener Motorhaube, denn es bekam zu heiss während der Fahrt.. Eigentlich wäre es ja frisch repariert, aber scheinbar hatte der « mécanicien » auch ein bisschen zu heiss

schnuppe

schnuppe

Nun liege ich auf dem Dach in der Hängematte. Es ist noch nicht ganz dunkel, aber der Halbmond scheint durch den Dunst. Weiter hinten im Jura blitzt es schon. Wetterleuchten. Gegenüber im Schwarzwald kann man den vorher noch gigantisch roten Kumulus Stratus nur erahnen.

Bergtortour

Bergtortour

Wie eine tote Fliege liege ich unter meinem schönen Moskitonetz zu Hause im Bett. Es gibt einem das Gefühl, in einem fernen Land in den Tropen zu sein. Draussen ist’s endlich heiss, aber ich mag nicht mehr. Diesen Text fing ich schon im total überfüllten Zug an, vom Berneroberland zurück. Und bin darüber eingeschlafen.