Nun sitze ich wieder alleine auf dem Sofa. Erst noch sass meine Nachbarin bei mir und wir schickten mit meiner Ria-App Geld nach Pakistan. Der Internetverkehr ging grad ein bisschen zähflüssig, aber wenn’s dann mal lief, zack, ist das Geld sofort dort angekommen. Ready to pick up.
Wenn man bedenkt, wie lange die Schweizer Banken für eine nationale Geldüberweisung brauchen. Als ob die Summe mit der Postkutsche von einer Filiale zur anderen gebracht würde.
Zwei mal zwanzigtausend Rupien musste ich für sie nach Lahore schicken. Einmal für ihren kranken Bruder, welcher Medikamente braucht, und einmal für einen Pilger, welcher es der Armen-Kasse in Mekka überbringen soll.
Die Medikamenten Spende an den Bruder ist ja sozusagen eine indirekte Unterstützung der europäischen oder amerikanischen Pharma Industrie. Bin ich doch immer wieder erstaunt, wie der Westen, also wir und unsere Politik, skrupellos Geld aus den Händen der ärmsten der Armen in unsere Wirtschaft scheffelt. Im Namen der Entwicklungshilfe; mit Hilfsgeldern, Wiederaufbau, Unterstützungsgeldern… Postkolonialismus vom Feinsten. Ja, den Armen muss geholfen werden. Dann können sie sich unsere Produkte kaufen. Nestle Wasser und Nestle Milch trinken. Die importieren Leinsamen und Baumnüsse essen. Omega drei für die Ärmsten. Wichtig für die Gesundheit. Lindenblütentee. Gut für den Magen. Und Amoxicillin. Und dann Danone Joghurt. Zum Wiederaufbau der Darmflora.
Immerhin kann ich froh sein, in einem der reichsten und sichersten Länder dieser Welt geboren zu sein. Eines dieser Spender-Länder. So kann ich Geld spenden, es wie die Grossen an den Steuern abziehen, und es indirekt wieder zurückfliessen wissen. Wie entspannt es sich hier lebt. Für mich jedoch mit dem einzigen Fehler, nämlich dem falschen Geschlecht anzugehören.
Ich kann es immer wie weniger ertragen, täglich daran erinnert zu werden, dass ich eventuell doch nicht so viel davon verstehe. Ob ich denn dort richtig hingesehen hätte? Und nicht so tun solle. Da ich es jetzt besser habe wie früher. Und noch viel besser als dort. Oder willst du lieber dort leben? Also! Ich somit alles nicht so ganz durchdacht habe. Geh doch in die Politik und mach es besser! Oder überhaupt es wage, so ein abgelutschtes Thema anzuschneiden. Wehe, ich kann mein Gesagtes nicht mit mathematischen, chemischen oder physikalischen Formeln belegen. Oder nicht genaue Quellenangaben meiner Behauptungen angeben. Oder die vermeintlich falsche. Zudem muss das jetzt halt auch so sein. Sonst machen es die Chinesen. Ist das denn besser?
Haue ich doch grad mit meiner Faust auf den Tisch. Aua! Vom vielen üben sind jetzt meine Fingergelenke entzündet. Und die Finger stehen leicht krumm. Ist das wohl Arthritis? Oder Gicht. Die Wohlstandserkrankung, wie sie früher genannt wurde. Die zarte, krumme, raue Frauenhand taugt nun umso weniger zum auf den Putz hauen. Und die Zornesfalten sind eh schon im Gesicht dauereingekerbt. Mein schmerzverzerrtes Lächeln ergibt ein reines Faltengebirge. Und der Bambi-Augenaufschlag ist auch schon längst von den herabfallenden Schlupflidern verunmöglicht.
Bleibt mir noch der Hundeblick. Der geht geschlechts- und altersneutral. Habt ihr Mitleid?
Musste ich grad wieder ein paar Zeilen schimpfen. Isch doch wohr! Meint auch der Mond, der in mein Zimmer scheint.