Nun sitze ich in Sissach vor dem Café, Beine bis und mit Bauch gewärmt von der Sonne, neben mir auf dem Tisch ein Resten Cappuccino, er ist nicht der beste, nebendran aber ein leerer Teller auf welchem nur noch ein paar Krümel zu finden sind, feinstes Laugengebäck ruckzuck aufgegessen, und komme gerade mal zur Ruhe.
Ich bin ein bisschen unfreiwillig hier, da ich vor lauter durch meinen Alltag, inklusive Wochenenden, hetzen, eine Stunde zu früh auf den Zug gedüst bin. Mein Brompton musste seine Rädli doppelt so schnell durch die Strassen drehen. Den Zug erwischt, fiel mir beim Blick auf das Handy auf, dass ja erst zehn vor zwölf ist anstatt zehn vor eins. Ich Dubel!
So habe ich jetzt Zwangs-Café-Pause und es ist herrlich. Sind zwar all meine Wohlfühl-Utensilien wie Buch oder Malerei zu Hause, habe ich jedoch Zeit, wieder ein paar Zeilen zu schreiben.
Ich sah mich nämlich heute morgen über jegliche Dinge stolpern in meiner Wohnung und davor. Dinge, welche ich täglich brauche oder eben nicht, welche ich gekauft habe oder geschenkt bekam, geerbt oder übernommen habe, Dinge welche ich zu faul oder zu müde war, ordentlich hinzustellen oder zu versorgen, Dinge, wo ich nicht weiss, wohin ich sie versorgen soll, Dinge, welche in einen anderen Raum gehören, in den Schrank, in die Wäsche, in die Waschmaschine, in den Keller oder in die Entsorgung gebracht werden sollten. Dinge, welche erledigt werden sollten. Geputzt. Gereinigt. Geflickt. Gebracht. Ersetzt. Aufgefüllt. Ausgefüllt. Versendet. Verkauft. …..
Bin ich wohl zum Messie verkommen, fällt mir mit Schrecken ein? Ich muss gerade mal googeln, zur Angewohnheit des Gebrauchs von ChatGPT brauche ich noch ein paar Monate, und stelle fest, dass ich nicht weit davon entfernt bin. Mir kommt in den Sinn, welche mir bekannte Person schon alles als Messie betitelt wurde. Meist alleinstehende Frauen älteren Alters. Huch, na sowas.
Wikipedia sagt, dass Messies scheinbar Menschen sind, welche „mehr oder weniger wertlose Gegenstände“ nicht wegwerfen können und immer wie mehr davon ansammeln. Und schliesslich nicht mehr wissen, wohin damit und neben ihrem sich Angesammelten fast keinen Platz mehr haben.
„Mehr oder weniger wertlos“ gibt mir zu denken. Wer bestimmt eigentlich, was wertlos ist und was nicht? Ist ein Messie zu sein denn nicht sowieso nur in unserer Wegwerfgesellschaft möglich ? Eine westliche Betrachtungsweise? Eine kapitalistische Wertung? Hier, wo wir alles im Überfluss haben, alles neu sein muss und somit alles alte entsorgt werden muss, um neuem Platz zu machen. Es im Trend sein muss, fashionable, « tendance ». Oder vielleicht noch vintage. Wo die eine Gesellschaftsschicht bestimmt, was vom alten Plunder wieder „in“ ist. Zum Beispiel Skandinavische Teekmöbel aus den Fünfziger- und Sechzigerjahre und nicht mehr französische oder italienische Möbel aus den Zwanzigern?
Soll ich denn die Leintücher mit Spitzenbordüren und gestickten Initialen aus der Jahrhundertwende in den Müll werfen lassen oder Putzlappen daraus machen? Und die wunderschönen Hemden des verstorben Nachbarn auf die Kleidermüllberge? Die momentan nicht gebrauchen Blumentöpfe in die Déchèterie geben? Die schöne Kommode der Vierzigerjahre in den Sperrgut oder ins Kamin geben? Die Musikalien ins Antiquariat? Die alten Handys verschrotten?
Natürlich stapeln sich auch Konfigläser für zukünftig Eingemachtes, leere Eierschachteln für Hühnerbesitzer, Recycling Material, leere Tragtaschen, Pferdeutensilien, Party-, Camping- und Picknickgeschirr, Koffer, Skisachen, Tennisschläger, viiiele Schuhe und Kleider, alte Tischtücher, Stühle, Leder- und Stoffe, Bastelmaterial, Zeitschriften, Bücher, Kunstwerke, Pflanzen ………………..
mir wird gerade schwindelig.
Aber weil in der Zwischenzeit schon später Abend geworden ist, ich nicht mehr im Café sitze sondern im Bett liege, hoffe ich, dass diese Nacht während ich schlafe, die sieben Zwerge mit einer grossen Mulde anfahren, und mich von all den von mir angesammelten, überflüssigen Dingen befreien, alles andere fein säuberlich an den richtigen Ort versorgen, vielleicht noch ein bisschen Fenster putzen und Staub wischen und überhaupt…
schnell einschlafen!