Sonnenuntergang

So liege ich nach 8 Stunden Rückfahrt gemütlich auf meinem Sofa und höre die Cello Concertos von C.P.E. Bach, gespielt von Christophe Coin. Wie zart er doch sein Cello zum Erklingen bringt und wie einfühlsam er uns diese Musik zu verstehen gibt. 

Nein, nix Sonnenuntergang, draussen ist es schon länger dunkel, inklusive scheusslichem Wetter. Es gab also auch vorhin keinen zu bestaunen. Zudem wäre es bei Sonnenuntergang schon fast eine Banauserei den Blick fürs Schreiben abzuwenden. Stellt euch mal vor: Da war ich vor Jahren mit meinen Freunden segeln, und eine mit an Bord hat jeden Abend bei Sonnenuntergang sich die Augen verbunden und Richtung Sonne meditiert. Umhimmelhergottswillen! Ich habe fast Schreikrämpfe vor Unverständnis bekommen und ich werde es noch bis der Tod mich scheidet nicht begreifen. So viele Sonnenuntergänge hat sie freiwillig verpasst!

Schon nur durch die Kamera bzw. auf den Bildschirm zu spähen um ein Foto zu schiessen ist doch eigentlich kostbare Sekunden des Ereignisses verpasst. (Und jetzt mal von den 99,9 periodischen Prozent der Menschheit gesprochen) : Trotzdem macht man deren Duzende. Jedesmal mit neuer Begeisterung und Inbrunst. Ui, noch schöner, noch besser, noch röter, noch .... Wieviele Fotos von Sonnenuntergängen sind in meiner Cloud? Ich würde mal behaupten sicher tausend. Ich tu jetzt aber nicht zählen. Bei 50’000 Bildern seit 2001 (mit einigen Verlusten wegen Hard-Disc-Absturz) kommt das sicher hin.
Ich würde jetzt mal behaupten, der Sonnenuntergang sei begehrter als der Sonnenaufgang. Vielleicht weil man sich abends eher entspannen kann? Oder weil ich nicht wirklich ein Morgenmensch bin? Ich bin zwar auch schon einige Male frühmorgens mit der Kamera (=Handy) in meiner Wohnung rumgetrabt, um das schönste Motiv vom und mit Sonnenaufgang zu erhaschen. Nur fällt mir jetzt beim Schreiben (=mit dem Handy) auf, dass ich morgens mehr meine Wohnung oder Gegenstände darin im Sonnenaufgangslicht fotografiere jedoch abends die Sonne direkt. Interessant. Zudem fängt der Sonnenaufgang mit der Pointe an und der Sonnenuntergang ist das Schussbouquet. Wo auch immer auf dieser Welt man den Sonnenuntergang ansieht, ist er schön. Zu Hause zum Fenster hinaus, unterwegs im Auto, Zug, Flugzeug, ob Downtown, im Industriegebiet, auf Feld und Wiesen, am Rhein, in den Bergen oder natürlich am Meer. Ach, da finde ich ihn am schönsten. Da spiegelt er sich noch im Wasser. Die doppelte Sonne. Doppelte Dramatik. In sich hineinsinkend, sich gegenseitig verschlingend. Oh Wonne! 

Inzwischen streicht M. Coin sein Cello zu Pianoforte Klängen, Mendelssohn Sonaten, und mir fallen langsam die Äuglein zu. 

Und Hü, ab ins Bett!

Vielleicht gibt’s ja morgen früh einen Sonnenaufgang zu bestaunen? 

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Elba

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Baratti