Hier liege ich nun in oder am Praia do Sagi in der Hängematte. Wo sich Schildkröten und Krebse gute Nacht sagen. Strand Strand und nochmals Strand. Menschenleer. Wo die Welt noch in Ordnung ist. Oder meint, in Ordnung zu sein.
Die Wellen toben. Draussen schwimmen zwei einheimische Fischer zum kleinen Fischerboot. Bei ruhigerem Meer benützen sie eine aus Holz fabrizierte, schwimmende Plattform. Und später ein Mann, der in seinem winzigen Segelbötchen Richtung Ufer zurücksegelt, es kurz vor Ankunft zu einem SUP umfunktioniert, um es an Land zu bekommen.
Hier, wo wir normalsterblichen Europäer das Häuschen direkt am Meer uns leisten, die Natur geniessen, den Sternenhimmel und den Mond nachts bewundern können, haufenweise „Camarão” und tropische Früchte essen, die üppige Natur bewundern, die ungeteerten Strassen, die kleinen Häuschen, die simple Lebensweise lieben.
Wo sich das Meer und die salzige Luft, die Sonne und der Wind alles zueignen machen. Früher oder später. Der Mensch, inklusive oder gerade der „reiche“ Europäer, oder der aus Europa abstammende Südamerikamer, welche das Haus in forderster Front besitzt, im Kampf gegen die Natur.
Im kleinen Supermarkt (und auch in den grossen) gibt’s kein Bio, kein Öko, keine naturnahen Produkte. Sondern Nestlé, l’Oréal, KraftHeinz, Unilever und wie all die Grosskonzerne heissen. Silikone, Parabene, Plastik und Chemie. Monsanto auf den Äckern. Ökologie am Arsch. Alles, was bei uns verboten ist oder nächstens sein wird, kommt hier in die Läden und auf die Felder. Das grosse Geld macht Europa (und die USA). Und nicht die Chinesen. Die Politiker hier bekommen dafür Anerkennung und das Land Exportrechte. Für Fleisch (Huhn, Schwein, Rind), tierisches Futtermittel, Eisen, Stahl, Öl, Zuckerwaren, Mais, Soja und und und. So einfach ist das.
Soviel nochmals zu sustainable. Und warum wir uns sustainable überhaupt leisten können. Doch in Brasilien herrscht sustainable Armut. Dreissig Prozent der Bevölkerung, also über sechzig Millionen Menschen, hauptsächlich dunkelhäutige, meist Frauen, leben in Armut und leiden an Hunger hier im Lande. Und nicht etwa weil die „heutigen bösen Politiker“, nein, vor allem weil das schon immer böse Europa hier seit über 500 Jahren ihr Unwesen treibt. Lektüre dazu: ein Artikel der Heinrich Böll Stiftung.
Nichtsdestotrotz höre ich dem Meer zu, beobachte ich den über dem Strand vor mir schwebende Greifvogel, und lasse mich von der im Wind leicht bewegenden Hängematte besänftigen. Ja besänftigen, denn hier habe ich Zeit nachzudenken, zuzuhören, hinzusehen, zu verarbeiten und bin ich ehrlich, ein klein wenig zu verzweifeln. Vielleicht sollte ich besser ein Buch lesen? Oder noch besser einen Film mit Happy End?
Aber vielleicht am Besten: Einen Caipirinha trinken und Samba hören. Das trübt die (sensiblen) Sinne und macht glücklich!
Saúde!